18.05.2011

Juli, 2010: Es steht eine fulminante und heiß erwartete Offseason 2010 vor der Tür. Bei wohl fast allen ambitionierten NBA-Franchises wird der Champagner kaltgestellt und Konfetti auf Vorrat gekauft – die berüchtigte Free Agent-Klasse 2010 steht zur Versteigerung bereit. Um LeBron James, Dwyane Wade, Chris Bosh, Joe Johnson und etwaige andere werden Gerüchte geschürt. Jeder Gehaltsspielraum besitzende General Manager der NBA will die eBay-Kampagne „3… 2… 1… meins!“ auf einen, nein, auf seinen neuen Messias übertragen.

Letztlich kam es ohnehin erstens anders und zweitens als man dachte. Die pompös inszenierte Theatralik verpuffte und wurde zu heißer Luft. Denn Dwyane Wade, LeBron James und Chris Bosh verbanden sich zum Trio Infernale, zu drei Hoffnungsträgern, die sich Miami, Florida als neue Heimat – um nicht zu sagen Residenz – ausgesucht hatten. Erfolgsaussichten und „big market“ hieß es in den offiziellen Begründungen. Aus Sicht der Heat stellte Miami fortan eine Art wahrgewordener Utopie dar, die Speerspitze aller Non-Plus-Ultras, nicht nur mit drei herausragenden Basketballern gespickt, sondern auch mit einem Umfeld ausgestattet, welches mediale Berichterstattung und Selbstinszenierung der Protagonisten fördern würde. Es war wie eine Zeitreise im besten Marty McFly-Stil, back in the days, als 60 v. Chr. Caesar, Pompeius und Marcus Licinius Crassus zur Durchsetzung politischer Ziele das einstige Triumvirat des antiken Rom bildeten.

Passend dazu war auch die Vorstellung der drei Jünger, eher einer modernen Seligsprechung als einer Begrüßung gleichend, eher eine Zeremonie als eine Präsentation darstellend, eher „oha!“ als „aha.“. Sich dann auf Barack Obamas Wahlkampagne – aus „Yes we can“ wurde „Yes we did“ – berufend, unter der Begleitung von Licht, Musik und Nebel, liefen James, Wade und Bosh in die ausverkaufte American Airlines Arena ein. Im weiteren Verlauf wurde dann Wade in seiner Heimat („home“), James in seinem Königreich („kingdom“) und Bosh in seiner Grube („pit“) vorgestellt. Es kam zu Geschenkübergaben und „Beat L.A.“-Chören seitens des Publikums. Wade sprach, dass er Mitleid mit jedem Spieler habe, der ihn zukünftig verteidigen müsse, und James betonte, man werde so hart trainieren, dass die Spiele gar leicht fallen würden. Man konnte sich sicher sein: hier entstand ein Hype, ein Kult, eine Ballung herausragender Basketballer in der Highty-Tighty-Stadt des Sunshine State.

Nicht überall scheint die Sonne

Zweifellos spielt die Ambition drei besagter Superstars eine große Rolle bei deren Team- und Wechselwahl. Sobald der magische Ring winkt, winkt man als ehrgeiziger Spieler gerne zurück. Die zugegebenermaßen hohe Chance auf einen Titel war sicherlich ein ausschlaggebender Grund für die Wahl des Zusammenschlusses und einer Personalunion hervorragender individueller Stärke.

Zweifellos ist aber auch, dass die Wahl Miamis nicht von ungefähr kam. Der Ruhm und Glanz der Stadt Miami sowie Gründe markentingtechnischer Art tragen beachtlichen Anteil für deren Auswahl bei.

Doch nicht alle Franchises können eben jene Voraussetzung bieten. Kleinere Märkte sind keine Allerwelts-Metropolen, Ballungsräume der High Society und quasi Urheber wirtschaftlicher Standortfaktoren. Sie bieten gewiss einen Nährboden für lokale Unternehmen und regionstreue Fans, sind aber eben kein „Big City Life“, winkende Geldscheine, sondern bodenständig und kleinere Brötchen backend. Zwar ist das Klima in New Orleans sonnig und feuchtwarm, aber The Big Easy ist nicht Magic City.

New Orleans zählt etwas mehr als 300.000 Einwohner – das ist weniger als ein Siebtel der Einwohnerzahl Miamis – und ist eine geschichtsträchtige Stadt. Die Auswirkungen der Kolonialzeit, während der New Orleans zu Ehren vom französischen Herzog Philipp II. erbaut wurde, sind an jeder Ecke zu bestaunen. Das zeigt sich an kreolischer Kultur, das spiegelt sich in der Ausübung des volkstümlichen Voodoo wieder. Das merkt man auch an einem Samstagabend in den Straßen der Innenstadt, wenn man die vielfältigen kulinarischen Einflüsse aus kleinen Bars riecht. Hier geht alles ein bisschen volksnaher, heimatverbundener zu. Man feiert Karneval, Mardi Gras, und beschwört den Jazz und Blues als Kunstform und Erbe der schweren Sklavenzeit.

Folgerichtig ist New Orleans auch kein großer Markt. Die Wirtschaftsstärke der von Umweltkatastrophen gebeutelten Region ist beschränkt. Großunternehmer oder finanzstarke Investoren lockt es hier nicht hin. Und wenn doch, dann konzentrieren diese sich auf die New Orleans Saints, die Super Bowl-Sieger 2009. Die Stadtbevölkerung lebt arm, Evakuierungsfolgen und soziale Dualismen sind hier das Alltagsprogramm. New Orleans ist – Umweltkatastrophen geschuldet – gefährlich und als Markt unlukrativ. Für Free Agents gibt es, betrachtet man lediglich die Stadt, attraktivere Ziele.

Wie bereits elaboriert, besteht bei etwaigen Stars der Drang nach karrieretechnischer Selbstverwirklichung durch einerseits sportlichen Erfolg, andererseits aber auch durch die Etablierung ihrer Namen als Marke. LeBron James verzichtete so beispielsweise auf die Weltmeisterschaft in diesem Sommer, um dafür bei Dreharbeiten zu seinem Film More Than A Game teilnehmen zu können. Dwyane Wade ist Aushängeschild der Marke Converse und regelmäßig auf den Covern von Mode- und Sportmagazinen zu sehen. Sie alle, ob LeBron, Kobe, Shaq, Wade oder Iverson, sind Trademarks; sind vermarktbar. Sie wollen in Städte mit hoher Kaufkraft, noblem Establishment und flexiblen und variablen Kontaktmöglichkeiten der Großunternehmen. The Big Apple schmeckt besser als Cream City.

Hochmut kommt vor dem Fall

Zwischen dem Ende des letzten Jahrhunderts und 2005 drafteten die New Orleans Hornets in Person von Baron Davis, Jamal Magloire, David West und Chris Paul Säulen, auf denen das Teamkonstrukt gestützt wurde. 2005, mit dem neu angeheuerten Chris Paul und vielversprechenden Spielern wie J.R. Smith, David West und Chris Andersen, war das Team nach der Flutkatastrophe Katrina in einem „Nichts zu verlieren“-Modus. Und plötzlich zeigte man vielversprechende Ansätze. Durch geschickte Personalplanung konnte man in einer ganzen Region Interesse wecken, etwas gewiss Neues und Unbekanntes für das Südstaaten-Asyl N'Awlins.

Mit dem ersten Bissen folgte der Hunger nach mehr – so auch bei den Hornets. Man wollte etwas riskieren. Um die fabelhafte Point Guard-Hoffnung Chris Paul ein Team aufbauen, welches schlagkräftig genug für den starken Westen werden sollte. Der Griff nach den Sternen erschien für einen bisherigen Wolkenbetrachter verdammt nah. Ziel war es, die New Orleans Arena regelmäßig zu füllen und ein Exempel für die gesamte Region zu statuieren. In Folge dessen investierte man, akquirierte in den Folgejahren Bobby Jackson, Morris Peterson, Tyson Chandler, James Posey, Peja Stojakovic, Morris Peterson oder Jannero Pargo. Um den neuen jungen Anführer Chris Paul und David West sollte mit ihnen eine ernstzunehmende Mannschaft für die Postseason werden.

Die Folgesaison wurde in der Tat zum Erfolg. Man wurde mit 54 Siegen das zweitbeste Team im Westen, gewann die mit den Dallas Mavericks, San Antonio Spurs und Houston Rockets hochkarätig besetzte Southwest-Divion, brach jegliche Franchise-Rekorde. Byron Scott wurde als Trainer der Saison ausgezeichnet, man war in den Playoffs und hatte gegenüber jedem Gegner im Westen, ausgenommen den Los Angeles Lakers, Heimrecht. Wer sich bisher nur von Krümeln ernährte, kannte dieses große Stück vom Kuchen nicht. Die Postseason wurde ein weiteres Highlight: man konnte die zweite Runde erreichen, wo man dem amtierenden Champion aus San Antonio erst in sieben Spielen unterlag. Trotz des Ausscheidens war klar: hier wurden Helden geboren, die Saison war ein Erfolg. Man wurde zum Aushängeschild der Region und konnte für kurze Zeit den Ruhm der Schlagzeilen und medialen Aufmerksamkeit erlangen.

Die Folgesaison entpuppte sich als einzige Enttäuschung. Die hohen Erwartungen stutzten den Hornissen die Flügel. So konnte man zwar den siebten Platz in der Westen Conference belegen und die Playoffs erreichen, wurde aber bereits in der ersten Playoff-Runde von den Denver Nuggets in fünf Spielen eliminiert.

Die Folgen jener verletzungsgeplagten Saison (die Starter Peja Stojakovic und Tyson Chandler verpassten zusammen 58 Spiele) waren schwerwiegend. Die Erfolgsaussichten weitestgehend getrübt, sodass sich im Sommer einige lokale Investoren zurückzogen. Als am 7. Juli 2009 die Luxussteuer-Grenze neu festgesetzt wurde, war klar: Die Hornets liegen sieben Millionen darüber und besitzen gleichzeitig nicht die finanzielle Schlagkraft, um diese abzubezahlen.

Man ging auf Sparkurs, verabschiedete sich von zu teuren Spielern und versuchte Geld einzusparen, wo es nur möglich war: für Tyson Chandler kam der billigere Emeka Okafor, Starter Rasual Butler wurde für einen Zweitrunden-Pick zu den Los Angeles Clippers verscherbelt und auch Back-Up Point Guard Antonio Daniels verließ die monetär gebeutelte Franchise für die billigeren Alternativen Bobby Brown und Darius Songaila. Es folgten weitere Trades zur Senkung der Personalausgaben (Abgaben von Hilton Armstrong, Devin Brown und Bobby Brown). Die Playoffs wurden verpasst, man ging mit leeren Händen aus der Saison. Eine Franchise auf Sparkurs hatte es im täglichen Überlebenskampf der NBA schwer.

In Miami scheint die Sonne

In Miami hat man diese Sorgen nicht. Seit der Draft im Jahr 2003, als man mit Dwyane Wade einen Superstar für sich sichern konnte, ging deren Weg nach oben, bis er zwischenzeitlich 2006 mit dem Gewinn der Meisterschaft gekrönt wurde. Sicherlich waren die Jahre danach gezeichnet vom Abgang Shaquille O'Neals (und einer schwierigen Verletzung Dwyane Wades, die den Heat eine ganze Saison kostete), doch durch cleveres Management konnte man immer wieder ein schlagkräftiges Team zusammenstellen. Letzten Endes war der Gehaltsspielraum im Sommer 2010 für die angesprochene Free Agent-Klasse ausschlaggebend, sodass sich drei Superstars unter der Prämisse, gemeinsam erfolgreich zu sein, in Miami verbanden.

Im Süden von Florida - und folgerichtig von Nordamerika - lebt es sich gut. Nicht nur, dass das Klima - und somit ganzjährig gutes Wetter - ein signifikanter Grund für die Wahl Miamis als künftige Franchise ist; es ist auch die damit zusammenhängende Attraktivität für Touristen und Prominente, die Wade, LeBron und Bosh in die Karten spielt.

Denn Miami und seine Standortfaktoren sprechen für sich: über 170 internationale Unternehmen haben hier ihren Hauptsitz, gerade die Tourismus- und Werbebranche boomt, zehn Millionen Menschen besuchen jedes Jahr die Küste in Miami, 47 Milliarden Importgewinne verschaffen die Unternehmen jährlich. Werbungen, Filme und TV-Sendungen werden regelmäßig in Miami gedreht und generieren ein jährliches Einkommen von 212 Millionen. Eine ausgebaute Infrastruktur mitsamt Verkehrswegen und Flughäfen erleichtern den Transport nach Süd- und Mittelamerika, Europa oder ins Landesinnere.

NBA-Stars sind nicht nur NBA-Stars. In Zeiten von viralem Marketing sind Städte mit hohen Vermarktungsmöglichkeiten das Zünglein an der Wange für interagierende Titelblatthelden wie Dwyane Wade, LeBron James oder Chris Bosh.

Die aufgezählten Vorteile sind natürlich nicht nur in Miami gegeben. Los Angeles, New York oder Chicago mögen ebenfalls lukrative Zentren für angehende Superstars sein. Gerade die Lakers können hier als Paradebeispiel genannt werden: seit jeher mit einer hohen Payroll belastet, schaffen es Besitzer Jerry Buss und General Manager Mike Kupchak immer wieder jene zu zahlen und bleiben langfristig konkurrenzfähig. Nach dem „Threepeat“ 2000 bis 2002 zerbrach das Gefüge um Shaquille O'Neal und Kobe Bryant; Bryant blieb. Man schaffte es, innerhalb von vier Jahren erneut einen Meisterschaftsanwärter zu formieren. Gemiedene Kosten und gescheute Mühen? Fehlanzeige.

Man mag sich dennoch fragen, warum Dwyane Wade, Chris Bosh und LeBron James bei ihrer Wahl nicht einen anderen „big market“ für sich gewählt haben, schließlich hatten die Chicago Bulls, New Jersey Nets, New York Knicks oder Los Angeles Clippers ebenfalls genügend Geld unter der Gehaltsobergrenze, um sie anzuheuern. Gleichzeitig waren die genannten Franchises auch große Märkte mit vielfältigen Möglichkeiten für die Free Agents 2010.

Doch betrachtet man die anderen möglichen Teams, erscheint die Wahl Miamis logisch: als einzige Franchise hatten sie die Möglichkeit, drei Superstars unter Vertrag zu nehmen. Zwar geschah dies unter dem Kompromiss, dass alljene Gehaltskürzungen erfahren mussten und keine Maximalverträge unterzeichnen konnten, aber im Endeffekt bestand der Deal, den man untereinander einging, daraus, die Chancen auf baldigen Erfolg zu maximieren und gleichzeitig in eine große Stadt zu kommen. New York hatte wenig Brauchbares im Kader und Management, was einen Anreiz geschaffen hätte, Superstars dorthin zu locken. New Jerseys Weg wiederum war unter dem neuen russischen Besitzer Mikhail Prokohorov ungewiss, das Team jung und unerfahren. Die Bulls konnten Berichten zu Folge nur einen Maximalvertrag anbieten und wollten dabei einen Big Man, also bestenfalls Bosh. Alle anderen Optionen erschienen ohnehin unrealistisch. Miami hingegen – das zeigte die Erfahrung – war eine Art Erfolgsgarant, mit dem Altmeister Pat Riley im Management und dem aufstrebenden Nick Spoelstra als Coach. Mündliche Zusagen von Power Forward Udonis Haslem und Mike Miller, sie würden auch für wenig Gehalt unterschreiben, wenn ernstzunehmende Titelambitionen geschürt werden können, waren vorhanden. Die Vereinigung von Dwyane Wade, LeBron James und Chris Bosh hatte sowohl pragmatische, als auch allgemeingültige Gründe: die Erfolgsaussichten waren hier die Größten, die Vergangenheit und der Glanz der Stadt zeigten aber auch auf, dass die Wahl von Magic City keine falsche sein werde.

Die Unterschiede zwischen kleinen und großen Märkten stellen erstere vor große Probleme

Der Salary Cap, also eine Art Maximallohn zur Nivellierung der finanziellen Ungleichgewichte, soll dafür sorgen, dass alle Franchises in der NBA das gleiche Budget für die Kaderzusammenstellung haben. Es sollen Anreize geschaffen werden, vernünftiges und erfolgsorientiertes Personalmanagement zu betreiben. Unabhängig ob New York oder New Orleans, ob Miami oder Milwaukee – jedes Team soll die gleichen Möglichkeiten haben, durch gute Verpflichtungen und überlegte Kostenplanung erfolgsfähig zu werden.

Das Fehlen eines solchen - wohlgemerkt exzellent durchdachten - Regelungsverfahrens sieht man in Europa: Die europäischen Ligen, mitsamt der BBL, verfügen über keine Salary Cap-Regularien; demzufolge sind die Budgets der einzelnen Teams von Standortfaktoren, Sponsoren und Investoren abhängig. Es entsteht ein Ungleichgewicht und das Ende vom Lied ist, dass die Teams mit dem meisten Geldern zumeist zu den erfolgreichsten gehören. In Folge dessen wiederum kassieren sie zusätzliche TV-Gelder und Prämien sowie weitere Sponsoreneinnahmen und Einkünfte aus internationalen Wettbewerben. Kleinere, auf regionale Spieler und eigene Jugend angewiesene Teams verkümmern am Ende der Tabelle und stellen sich jedes Jahr aufs neue dem Kampf ums finanzielle Überleben. Strenggenommen werden die Reichen reicher und die Armen ärmer. Raubtierkapitalismus trifft auf Sport. Das soll der Salary Cap in der NBA vermeiden.

Das Ziel des Salary Caps wird aber durch die Unterschiede der Franchises bezüglich großer und kleiner Märkte ad absurdum geführt. Wir schreiben wohlgemerkt das Jahr 2010: es ist längst nicht mehr so, dass Spieler lediglich dorthin wechseln, wo sie Erfolg haben können und sich auf ihrem ohnehin schon großen Vertragseinkommen ausruhen. Heutzutage sind weitere Faktoren relevant, gewiss auch die des Standorts; der Möglichkeit an gewissen Orten das Vermögen zu maximieren, gar andere Einkommensquellen für sich zu finden. Rein sportliche Zielsetzungen laufen Hand in Hand und parallel mit wirtschaftlichen. Wer dabei – wirtschaftspolitisch gesehen – rechts läuft, und wer links laufen muss, ist von vornherein klar.

Ist ein solches System, welches größere Franchises automatisch bevormundet und kleinere vor Probleme stellt, ungerecht? Die schlichte Antwort: nein. Kleinere Franchises respektive New Orleans, Milwaukee oder Minnesota können gewiss nichts dafür, dass ihre Städte kleiner und weniger attraktiv sind und dass die Möglichkeiten, die sie begehrten Free-Agents bieten können, nicht ausreichen. Ebenso können aber auch Metropolen nichts dafür, dass sie welche sind; nur weil Miami, Los Angeles oder New York groß sind und deswegen attraktiver sein mögen, kann man sie dafür nicht an den Pranger stellen. Und selbst wenn das auf einem theoretischen Weg – in den 80er Jahren wurde die Einführung einer zusätzlichen Steuer für größere Franchises diskutiert – passieren könnte, warum sollte dies umgesetzt werden? Wo ist hier die Rechtmäßigkeit?

Die Frage muss sich anders stellen: Was kann man gegen die ungleichen Bedingungen unternehmen? Gibt es Möglichkeiten, die Unterschiede zwischen Städten und damit verbundener Attraktivität zu relativieren?

Ein seit Jahren potentes, wenngleich nicht sehr fanloyales Mittel, ist der Verkauf bzw. der Umzug von Franchises. 1984 wurde Los Angeles die neue Heimat der bis dato San Diego Clippers. 2002 zogen die Grizzlies aus Vancouver in Kanada über die Grenze nach Memphis. Und so gingen auch die Supersonics aus Seattle 2008 nach Oklahoma City und wurden zu den Thunder. Inwiefern solche Standortwechsel sinnvoll sind, mag fraglich sein, bringen sie die der Region verbundenen Fans in Bredouille und erfordern Eingewöhnung und Akklimatisierung an die neue Umgebung. Auch New Orleans' Umzug nach Las Vegas wurde diskutiert. Die New York Dails News berichtete über Abwerbungsversuche Garry Chouests, dem bisher 35% der Hornets gehören, und der nun die restlichen 65% kaufen will. Das Brisante dabei: Chouest gilt als Fan und Verfechter der Möglichkeit, nach Las Vegas umzuziehen.

Seit Jahren gibt es jedoch auch erfolgreiche Strategien, mit denen kleinere Märkte konkurrenzfähig bleiben können. Vorgemacht wurde es beispielsweise von den San Antonio Spurs und später Oklahoma City Thunder. Das Erfolgsrezept hierbei lautet: Vertrauen, Geduld und das Vermeiden von Risiken. Die Thunder schafften es innerhalb von wenigen Jahren durch den Aufbau eines jungen, dafür aber umso talentierteren Teams, Erfolg zu garantieren. In die Draftpicks Jeff Green, Kevin Durant und Russell Westbrook wurde Vertrauen gesteckt. Auf ihren Positionen sollten sie Spielzeit erhalten und mit Hilfe von dieser ihre Entwicklung vorantreiben. Mit den kommenden Saisons – anfangs sicherlich ohne jegliche Erfolgsambitionen – kam die Verbesserung der Eckpfeiler. Durant avancierte zum besten Scorer der NBA und einem der besten Basketballer der Welt. Westbrook ist heute ein legitimer Allstar-Kandidat und Green eben das, was man eine perfekte dritte Option nennt. Durch das langjährige Zusammenspiel der Spieler entwickelte sich die Teamchemie, es kamen die nötigen Ergänzungen (Serge Ibaka, Thabo Sefolosha oder James Harden). Den auserkorenen Spielern wurden jedoch keine quängelnden Stars vor die Nase gesetzt und Starallüren wurden vermieden. Mit Scott Brooks kam als Trainer jemand, der Talent fördern kann; General Manager Sam Presti besann sich auf gutes Draften und punktuelle Ergänzungen. In der begonnenen NBA-Saison 2010/2011 werden die Thunder von vielen Experten als eines der stärksten Teams eingeschätzt.

Nur der Erfolg heiligt die Mittel

Sicherlich kann nun immer noch nicht sichergestellt werden, dass ein Superstar wie Kevin Durant mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich nicht doch einen Wechsel in eine Großmetropole beabsichtigen wird, aber durch vorausschauendes und sorgsames Management kann dem jeweiligen Spieler gewiss vermittelt werden, dass man hier professionell arbeitet. Und kommt potentieller Erfolg hinzu, so werden die Chancen auf einen Verbleib umso größer.

Es ist also nicht unmöglich, aus wenigen Möglichkeiten viel zu machen. Die Beispiele der San Antonio Spurs und Oklahoma City Thunder, die auf Entgegenbringen von Vertrauen in ein konzeptionell zusammengestelltes Teamgefüge und guter Draftstrategien setzten, werden in dieser Form nicht die letzten bleiben. Kleinere Märkte sind darauf angewiesen, sicherlich noch mehr als große Franchises, denn eines sollte ebenfalls klar sein: Die Tatsache, dass jene Erfolgskonzepte nicht unmöglich durchzuführen sind, heißt nicht, dass es nicht leichter ist, viel zu haben (lies: die nötigen Grundvoraussetzungen besitzen) und daraus das Optimum (lies: einen Contender) zu formen.

Klar sollte ebenfalls sein, dass in der Theorie alles so leicht und schwarz-weiß erscheint, aber in der Praxis eben verdammt schwer ist und aus etlichen Graustufen besteht. Ohne gutes Management geht es nicht, weder bei großen, noch bei kleinen Märkten. Ein Rebuild ist kein allgemeingültiges Patentrezept. Hätte Sam Presti schlecht gedraftet, könnte man die Thunder als Beispiel für nicht genutzte Chancen anführen. Wären aus den Zweitrunden-Picks Manu Ginobili und Tony Parker keine Stars geworden, hätte man San Antonio Spurs-Headcoach Greg Popovich angekreidet, er hätte eher bewährte amerikanische College-Spieler wählen sollen. Der „aus wenig viel machen“-Plan funktioniert nur, wenn er aufgeht. Im Fall, dass dies nicht passiert, ist Kritik schnell laut geworden und der Manager- (sowie Trainer)stuhl wackelt.

Große Märkte begünstigen das Interesse von Free Agents, insbesondere das der namenhaften. Man kann seine von vornherein schlechteren Bedingungen versuchen zu relativieren oder anderweitig umgehen; ein Kinderspiel ist das aber nicht. Und so wird es auch in New Orleans keines. Mit dem Draften der Rookies Marcus Thornton und Darren Collison wurde ein Anfang gemacht. Zweiterer musste zwar dem Wunsch nach Erfolg von Chris Paul für Trevor Ariza weichen und wurde getradet, das Konzept aber, in einer vermarktungsschwachen Region auf junge und billige Spieler zu setzen und dafür in diese Vertrauen zu stecken, ist richtig.

Ob man nun mit Chris Paul, David West, Trevor Ariza, Marcus Thornton, einer Vielzahl neu verpflichteter Rollenspieler, dem auslaufenden Vertrag Peja Stojakovics in Höhe von 17 Millionen und dem neuen Führungsstab um Talentförderer Monty Williams und General Manager Dell Demps für längere Zeit Erfolg sicherstellen kann, bleibt fraglich. Gelingt dies nicht, ist Paul früher oder später weg aus New Orleans und geht zu einer Franchise, die ihm bessere Aussichten auf Erfolg und einen größeren Markt bieten kann. Dann steht man wieder am Anfang.

In Miami scheint das nicht so. In Miami scheint lediglich die Sonne. Das ganze Jahr über.


publiziert am 27. Oktober 2010 für go-to-guys.de.