18.12.2007

Von Gesellschaftskritik und Motiven,...

Ich möchte diesen Blogeintrag dazu nutzen, mich dem Thema zu widmen, ob Kunst definiert erkennbar ist bzw. wo die Grenze zwischen vorhandener und fehlender Qualität einer Kunst ist. Um meine Intention zu verdeutlich greife ich tief in meine Beispielskiste:

Hör ich meinem Deutschlehrer Merkel zu, und höre wie toll Heinrich von Kleist in elaboriertem Code arbeitet und welch' wahnsinnig gute Hypotaxen er in seinen Texten an den Tag legt, frage ich mich, was da Wahres dran ist. Kleist, ein Preußen-Patriot und Anekdoten-Verfasser aller erster Güte, schafft es in einen Satz mehr Kommata zu setzen, als andere Autoren in einem ganzen Buch (Achtung, Übertreibung ...). So sehe ich, dass in seiner Anekdote ein Satz teilweise über einige Zeilen hinweg geht und mein Deutschlehrer Merkel mir allen Ernstes erzählen will, welch' tolle Wurst von Kleist ist und was für ein Wahnsinns-Repertoire an Einschüben, Relativsetzen und Parenthesen er an den Tag legt. Nonsens. Würde ich so schreiben, würde jeder Lehrer mehr rote Korrigierfarbe aufwenden müssen, als die pro.7-Redaktion für die "Red Nose"-Produktion. Bei mir würden es unverständliche Schachtelsätze; bei Heinrich von Kleist ist das Kunst. Bizarr.
Gleiches Genre, neuer Autor: Bertold Brecht, "Dreigroschenoper" - eine offensichtliche Kapitalismus-Kritik von Brecht, seiner Person Linkssozialist. Brecht ist ein Gesellschaftskritiker aller erste Sahne. In kurzen bündigen Sätzen versteckt er seine kritische Sichtweise auf die damalige Gesellschaft. Einfach hervorragend. Dabei ist, laut meinem Deutschlehrer, überall Gesellschaftskritik. Ob bei der Namensgebung der Charaktäre, der Umschreibung ihrer Tätigkeit, ihrer Entscheidungen ... überall ist Gesellschaftskritik. Ich bin mir sicher, ein guter Deutschlehrer, wie Herr Merkel es natürlich ist, würde selbst in die rechte Wurmfortsatzbündel-Hälfte Gesellschaftskritik reininterpretieren, schließlich könnte das ein Zeichen für die Kritik an der schlechten medizinischen Versorgung Londons sein ... What the Fuck? Ich bin fest davon überzeugt, Brecht schrieb die "Dreigroschenoper" zwar mit klarem Motiv und dem Willen, die schlechten Seiten des Kapitalismus aufzuzeigen, aber dass sich dies in den atemberaubenden Alliterationen der Hauptcharaktäre wie Mackie Messer oder Polly Peachum wiederspiegelt ... wie gesagt: What the Fuck? Und ich bin übrigens genauso davon überzeugt, dass wenn ich die Dreigroschenoper genauso geschrieben hätte, wie es Brecht seiner Zeit tat, dies als völlig wertlos abgestempelt wäre und mir darüber hinaus etliche Fehler in meiner Sprache bzw. im Plot aufgezeigt werden würden. Life's a Bitch.

Nächstes Beispiel: Moderne Kunst. Otto Werauchimmer ist ein bedeutender Künstler der Neuzeit. Er nutzt das Momentum des Hypes um die "Moderne Kunst" und zeichnet drei bunte Striche auf ein weißes Blatt Papier, bringt es zur nächstes Kunstausstellung, wo es von Fachgutachtern mit Prädikaten wie "grandios", "ausgezeichnet", usw. versehen wird. Wow. Wahnsinn. Unglaublich. Wieviel man in diese drei Striche reininterpretieren kann, beeindruckt mich. Totale Kunst. Würde ich diese drei Striche so zeichnen und es meinem Kunstlehrer Bechtel vorlegen, würde dieser mit einem Lachkrampf und dem Euphemismus "nicht so gelungen" mein Werk als "mangelhaft" einstufen. Aber bei Otto Werauchimmer ist das Kunst. Tolle Kunst. Life's a Bitch, Part II.

Ein weiteres Beispiel: Olli Banjo, ein Rapper mit Wortwitz seiner Zeit, rappt ein "JUICE Exklusive" für gleichnamiges HipHop-Magazin. Er verfasst zwei, zugegebenermaßen einfallsreiche, Parts und eine Hook, benennt das Lied mit dem Namen "Dumm wie Brot" und schickt es ab. Was les ich vor einigen Tagen auf dem urban-Forum? "Dumm wie Brot" von Banjo wäre eine ironische, versteckte Gesellschaftskritik und der Titel seines Tracks gehe mit dem Motiv konform. Are u kidding me? Auch hier bin ich fest davon überzeugt, dass Banjo das Stück ohne irgendwelchen Hintergedanken, etwas Sozialkritisches zu produzieren, gemacht hat. Wer würde auch über eine Exklusive-CD eines HipHop-Mags aus Deutschland einen solchen Song releasen? Sinnlos. Sicherlich sind einige Lines drin, die mglw. gegen das Verhalten einiger Leute gerichtet sind, aber das gleich als Gesellschaftskritik zu sehen ist Quatsch. Meinetwegen sind Lieder Banjos wie bspw. "Krank" (auf "Lost Tapes") oder "Deutschland" (auf "Erste Hilfe") gesellschaftskritisch, aber nicht ein witziges JUICE-Exklusiv.

Was bleibt uns aus den Erkentnissen? Zum einen bin ich überzeugt, dass man eine gewisse Resonanz bzw. Anerkennung in der sogenannten "Szene" braucht, um aus was Kontroversen, sogar vielleicht Ungewöhnlichen etwas Besonderes zu zaubern. Denn ohne Namen wirkt das Kontroverse bzw. Ungewöhnliche eher lächerlich, als beeindruckend. Weiterhin gab mir der oben beschriebe Gedankengang Gewissheit darüber, dass man heutzutage alles als ein bestimmtes Motiv, das nach Schema F gestrickt worden ist, interpretieren kann und sich die Nebenumstände der Kunst, seien es die Punchlines im Rap, die Charakternamen im Buch oder die Strichfarben in der Modernen Malerei, so zurechtzulegen, dass sie zum eigentlichen Thema besonders gut passen und das Motiv unterstützten. Mittlerweile sehe ich sowieso alles als mögliche Gesellschaftskritisch an ... je nachdem welche Hanswurst es auf welche Art und Weise interpretiert.

Und zu guter letzt bleibt die Erkentniss oder eher die Hinterfragung in was für einer komischen, verrückten Gesellschaft wir leben (Achtung, dies ist auch als Gesellschaftskritik zu deuten...).

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit,
Glückauf

16.12.2007

Jahresreview: Die 20 besten Deutschrapreleases 2007

Verehrte Leserschaft,

Weihnachten steht vor der Tür, das Jahr neigt sich dem Ende ... Zeit, dass ich Ihnen Einblick in meine persönliche Top20 der besten Deutschrapreleases diesen Jahres geben. Viel Spaß beim Lesen.

20. Separate - Ein Guter Tag zum Sterben
Separate bietet mal wieder ein Album, dass von Stimmeinsatz, ohrwurmlastigen Hooks und kraftvollen Beats nur strotzt - leider bleibt dabei Lyrik und Themenvielfalt auf der Strecke, was bspw. am unterirdisch schlechten "F*ck die Polizei" deutlich wird.
Anspieltipp: "Keine Freunde"

19. Nico Suave - Suave and Friends
Ein typischer Suave-Album, dass in der Breite viele ordentliche Tracks zu bieten hat und auf inhaltlich zu überzeugen weiß, bei dem jedoch die ganz großen Abstecher nach oben ausbleiben.
Anspieltipp: "Nie Mehr" (feat. Eizi Eiz und Denyo)

18. Pretty Mo - Für Eine Hand Voll Scheiß
Pretty Mos Debütalbum ist der Inbegriff von Licht und Schatten. Starke Battlerapparts ("Bitte Wer?", "30 Bars Intro") und lustige Konzeptsongs ("Popstars 2005", "20 Kleine Haterlein") wechseln sich mit schwachen und langweiligen Tracks ab.
Anspieltipp: "Bitte Wer?"

17. Marteria - Base Ventura
Ein Album, welches es so noch nicht gab. Marterias abgespacte, nihilistische Art zu rappen ist jedoch Geschmackssache ... qualitativ hätte "Base Ventura" sicherlich mehr als einen 17. Platz verdient, aber mir sagt's einfach nicht zu.
Anspieltipp:
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16. Bass Sultan Henzt - Schmetterlingseffekt
Ich stelle vor ... "Die Wandlung des BSH" was äquivalent zu seinem diesjährigen Album "Schmetterlingseffekt" stehen könnte - statt Battlerap gibt es Deepes und Nachdenkliches, was bei mir sehr gut ankam, auf Dauer jedoch sehr monoton wirkt.
Anspieltipp: "Schmetterlingseffekt"

15. Mach One & Darn - Freakshow
Mach One & Darn bieten in der Tat eine unglaubliche Freakshow ... neben teilweise kranken Themen, die sie berappen, sind aber vorallem die gelungenen Features (Vork, Favorite) erwähnenswert.
Anspieltipp: "Doktor Sommer" (feat. Vork)

14. Ali A$ - Wie Baut Man Eine Bombe?
Ein technisch sehr starkes Album, bei dem der Deluxe Records-Jüngling vorallem durch Punchlines, Beats und Flow glänzen kann, welches aber auf Dauer langweilig wird. Tipp: Nicht nur Battlerap, sondern in Zukunft auch mehr Gesellschaftskritisches oder Deepes, denn das gelingt ebensogut.
Anspieltipp: "Unser Deutschland" (feat. Emory)

13. Freundeskreis - FK10
Die Zusammestellung der größten Freundeskreis-Hits aus den letzten zehn Jahres, welche einige Evergreens und Alltime-Klassiker zurück ins Gedächnis befördert.
Anspieltipp: "Leg Dein Ohr Auf Die Schiene Der Geschichte"

12. Prinz Pi - Zeitlos
Prinz Pi bringt als Zwischenrelease vor dem im Mai anstehenden "Der Thronfolger"-Album die Zusammenstellung alter, neu aufgenommer Lieder, von denen durchaus einige zu überzeugen wissen.
Anspieltipp: "Mein Leben 2007"

11. Animus - Der Kugel Schreiber Pt. II
Das Heidelberger Talent Animus bringt mit seinem zweiten, gleichnamigen Mixtape wiedereinmal eine starke Zusammenstellung von Deepem, Battlerap und Gesellschaftskritischem ... Mit unglaublichem Stimmeinsatz und lustigen Wortspielen.
Anspieltipp: "Luxus"

10. Olli Banjo - Lifeshow
Ein wiedermal gutes Album von Balboa, das auch in der Breite abwechslungsreich ist, bei dem mich aber die teilweise synthätischen Beats nicht überzeugen können. Dennoch ein gutes Album, welches jedoch an "Erste Hilfe" nicht rankommt.
Anspieltipp: "Tagesschau"

9. Patrick mit Absicht - Jack Is Back
PMA kommt mit seinem Debütalbum, kranken Punchlines und Mörderflow zurück. Teilweise tolle Parts, die jedoch bzgl. Zweckreimen und akkustischer Verständnis ausbaufähig sind.
Anspieltipp: "Hab's Verdient"

8. Pimpulsiv - Hoetry LP

Die Bielefelder releasen ebenfalls ihr Debütalbum, welches durch Timmys Stimmeinsatz, Flow und kranken "Ich-bin-der-kränkste-Cannabis-Junk" vollends überzeugen kann. Aber auch hier sei gesagt, dass mehr Themenvielfalt nicht schaden könnte.
Anspieltipp: "667"

7. Snaga & Pillath - Aus Liebe Zum Spiel
Ein variables Album, bei dem die beiden auf die ganz starken Battlerapparts verzichten, jedoch eine Menge Abwechslungsreichtum sowie unglaublich deepe Tracks liefern.
Anspieltipp: "Pillath Skit"

6.
K.I.Z. - Hahnenkampf
Eine Menge verborgener Gesellschaftskritik wechselt sich mit starken Battlerapparts ab. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass es solche unglaubliche Konzeptsongs nirgends sonst gibt. Chapeau!
Anspieltipp: "Herbstzeitblätter"

5. Sera Finale - Die Nächste Kugel Im Lauf
Ein überraschend starkes Werk von Sera Finale, das "Serafiniert", sein erstes Album, überflügelt, und bei dem Sera Finale selbst durch einen butterweichen Flow und emotionale Hooks glänzt; dabei ein Themenreichtum an den Tag legt, welches seines Gleichen sucht.
Anspieltipp: "Manifest"

4. Kool Savas - Tot Oder Lebendig
Savas verfehlt mit seinem lang ersehnten Album knapp das Podium. Zwar bietet die LP nur 10 Tracks, diese haben's jedoch in sich. Lyrisch sicherlich ausbaufähig, aber sein weltweit unerreichter Flow, Melbeatz' Beatsauswahl und die starken Hooks machen das abwechslungsreiche Album zu einem Pflichtkauf.
Anspieltipp: "Mona Lisa"

Kommen wir nun also zum Podium:

3. Favorite - Harlekin
Der Selfmade-Rapper bringt mit seinem Album ein wahres Meisterwerk, bei dem er seine scheinbar kranken Zustände in lustig-amüsanten Parts zum Vorschein bringt und zum ersten Mal auch seine nachdenkliche Ader ("Gegen den Herr'n", "Schwesterherz") zu Papier bringt.
Anspieltipp: "Selfmade Millionär"

2. Kollegah - Alphagene
Kollegah weiß ein weiteres Mal durch unglaubliche Reimketten, Wortspiel-/Vergleichs-Punchlines und einen seines Gleichen suchenden Doubletimeflow zu glänzen. Ein noch weltweit nicht bekanntes Manifest an technischen Fähigkeiten, das leider durch verkackte Hooks und teilweise schwächere Beats getrübt wird.
Anspieltipp: "Vom Dealer Zum Star"

And the winner is...

1. Maeckes & Plan B - Als Wären Wir Freunde
Ein Wahnsinnswerk der beiden Comedyrapper aus Stuttgart, dass mit durchdachten, variablen Songs, die einen Kontrast zur restlichen Rapszene darstellen, nur so strotzt. Es bleibt zu sagen, dass in diesem Album alles vorhanden ist und es auf ganzer Linie zu überzeugen weiß.
Anspieltipp: "White Trash"


Die Wertung knapp verpasst haben "Chronik I" (Selfmade Records), "Fokus:Rap" (Pal One), "Die Stunde Der Wahrheit" (Germany) und "Einzelkind" (Montana Max)


Ich möche darauf hinweisen, dass wir dieses Jahr ein äußerst starkes Deutschrap-Jahr bewundern konnte und danke Ihnen auf diesem Weg auch recht herzlich für die Aufmerksamkeit.

Glückauf!

07.12.2007

Das Wort des Jahres

Die Gesellschaft der deutschen Sprache gab heute, Freitag den 7. Dezember, bekannt, dass "Klimakatastrophe" das Wort des Jahres 2007 ist. Hier durchaus amüsante Liste der Top10 der "Wörter des Jahres":

1.) "Klimakatastrophe"
2.) "Herdprämie"
3.) "Raucherkneipe"
4.) "arm durch Arbeit"
5.) "Dopingbeichte"
6.) "Lustreisen"
7.) "Second Life"
8.) "Bundestrojaner"
9.) "spritdurstig"
10.) "Alles wird Knut"

[Quelle - welt.de]

Letztes Jahr wurde übrigens das Wort "Fanmeile" zum Wort des Jahres gekürt. Kein Wunder bei solcher Fussball-WM.

Glückauf.

Der Assist zum Assist

Folgende Szene: Hornets vs. Hawks, Pick-and-Roll zwischen Chris Paul und David West, nachdem Paul vorbei geht und den Weg zum Korb sucht, rollt sich West in Richtung der Freiwurflinie ab und ist frei (sein Gegenspieler hilft bei Paul), Chris Paul sieht das, passt raus zu West. Der könnte nun völlig frei den offenen Wurf nehmen, sieht aber Morris Peterson frei in der Ecke, passt zu ihm, Money. Der Assist geht auf Wests Konto, dabei war es doch eigentlich Pauls Verdienst, als er die Aufmerksamkeit der Defense auf sich zog und den freien Mann fand; honoriert wird dies im Statistikbogen jedoch nicht.
Die nächste Szene: Timberwolves vs. Lakers, Distanzwurf von Derek Fisher, der jedoch daneben geht, Rebound von Greg Buckner, der gleich zum Fastbreak ansetzen will. Als er jedoch an Ronny Turiaf vorbeigehen will, wird er gestealt, Turiaf passt den Ball zu Bryant. Auf Grund der aufgerückten Timberwolves-Defense ist keiner mehr hinten, Bryant hat leichtes Spiel, passt zu Bynum, der den Ball reindunkt. Die Vorlage geht auf das Konto von Bryant, dass Turiaf jedoch den weitaus größeren Anteil am Korberfolg hatte, wird nicht berücksichtigt.

Die beiden Szenen sind keine große Ausnahmen, sondern nur Beispiele, die die Regel bestätigen - jede Nacht kommt es bei diversen NBA-Spielen zu Aktionen, bei denen nur der letzte Passer auf dem "Statsheed" belohnt wird, der Spieler der die Defense aufgewirbel hat und/oder den Ball stealen konnte, den freien Assistgeber fand jedoch wird außer Acht gelassen. Wenn man das Spiel nicht sieht - und so geht es uns oft -, dann wird man nicht beurteilen können wie aussagekräftig die Assist-Anzahl der Spieler ist.
So fordern mittlerweile auch etliche NBA-Trainer wie bspw. Mike Brown (Cavaliers) oder Sam Mitchell (Ex-Raptors-Coach) den sogenannten "Hockey-Assist", der in der NHL schon Gang und Gebe ist. Eine sinnvolle Überlegung.

Glückauf.